Erheblicher Klärungsbedarf
Die von hier versandten Bescheide beinhalten vielfach eine zum Teil massive Erhöhung. Da dies in der Verwaltung zu einem erheblichen Klärungsbedarf führt und verständlicherweise die Telefone nicht mehr stillstehen, möchte ich Ihnen die Hintergründe hierfür darlegen. Ursächlich ist die Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs in Rheinland-Pfalz und das damit geänderte Landesfinanzausgleichsgesetzt (LFAG).
Das LFAG regelt die Finanzbeziehungen zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und seiner kommunalen Ebene, u.a. ob und welche Zuwendungen die Städte, Orts-, Verbands-, Gemeinden und Landkreise vom Land erhalten. Ebenfalls darin geregelt ist die Erhebung einer Kreis- und Verbandsgemeindeumlage von den umlagepflichtigen (Orts-) Gemeinden und Städten.
Der Landesfinanzausgleich wurde gleich zweimal vom rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt, 2012 und zuletzt 2020. Insbesondere das Land Rheinland-Pfalz wurde verpflichtet, die nach Auffassung des höchsten Gerichtes fehlende „bedarfsgerechte“ Finanzierung der Kommunen neu zu regeln, was jetzt zum 1. Januar 2023 geschah. Aber auch den Kommunen wurde vom Verfassungsgerichtshof ins Hausaufgabenheft geschrieben, salopp gesagt im Rahmen ihrer Möglichkeiten ebenfalls „größtmögliche Kraftanstrengungen“ zu einer besseren kommunalen Finanzausstattung beizutragen und nicht nur auf die Zuweisungen des Landes zu spekulieren.
Grundlage für die Erhebung der Kreis- und Verbandsgemeindeumlage sind u. a. die Realsteuern, also das Grund- und Gewerbesteueraufkommen in den Gemeinden. Die Höhe der an die Verbandsgemeinde und den Kreis abzuführenden Umlage bemisst sich nach den im LFAG festgesetzten Nivellierungssätzen. Auch wenn Kommunen mit ihren tatsächlichen Realsteuerhebesätzen unter den Nivellierungssätzen liegen, beispielsweise um im ländlichen Raum wettbewerbsfähig zu bleiben, wird für die Ermittlung der Umlagehöhe so gerechnet, als entsprächen die Hebesätze zumindest den Nivellierungssätzen. Mit anderen Worten: Sie werden reicher gerechnet, als sie es tatsächlich sind.
Durch diesen gesetzgeberischen „Kniff“ werden die Kommunen quasi gezwungen, die jährlich durch den Stadt- bzw. Ortsgemeinderat zu beschließenden Realsteuerhebesätze für Grund- und Gewerbesteuer entsprechend „nach oben“ anzupassen. Anderenfalls haben sie noch weniger Geld in der Kasse. Ebenfalls ist eine Anhebung erforderlich, um als Stadt- bzw. Ortsgemeinde gegebenenfalls entsprechende Landeszuwendungen akquirieren zu können.
Das Land Rheinland-Pfalz nahm die jetzt mit einem grundlegenden Systemwechsel vorgenommene Neuordnung des LFAG dann auch noch zum Anlass, höhere Nivellierungssätze bei der Gewerbe- und Grundsteuer festzuschreiben. Konkret:
Grundsteuer A von zuvor 300 vom Hundert auf jetzt 345 vom Hundert (+ 15,0%)
Grundsteuer B von zuvor 365 vom Hundert auf jetzt 465 vom Hundert (+ 27,4 %)
Gewerbesteuer von zuvor 365 vom Hundert auf jetzt 380 vom Hundert (+ 4,1 %).
Damit geht für die Stadt Adenau und Ortsgemeinden im kommunalen Standortwettbewerb nicht nur ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil aufgrund der bisherigen relativ moderaten Steuersätze verloren. Die höheren Realsteuern wirken sich letztendlich auf ALLE aus. Und das in einer Zeit, in welcher sowohl Unternehmen als auch die privaten Haushalte durch gestiegene Preise bei Lebensmitteln, Energie, Kraftstoffen, etc. bereits enorm hoch belastet sind. Der Unmut vieler Bürger:innen sowie Unternehmen richtet sich gegen den Stadt- und Ortsgemeinderat und die Bürgermeister.
Diesen sind im Finanzausgleichssystem des Landes Rheinland-Pfalz jedoch quasi die Hände gebunden und es bleibt ihnen keine andere Möglichkeit als die Erhöhung der Realsteuerhebesätze. Ich kann dies nur unterstreichen, zumal die Verbandsgemeinde Adenau sowie ihre Ortsgemeinden und die Stadt Adenau durch das neue LFAG in doppelter Hinsicht „bestraft“ werden. Sämtliche vom Land veröffentlichten Probeberechnungen belegen nämlich, dass uns im Zuge der zum 1. Januar 2023 vorgenommenen Systemumstellung deutlich weniger Finanzmittel vom Land zugewiesen werden. So erhält allein die Verbandsgemeinde Adenau in diesem Jahr rund 1,21 Million € weniger an Landeszuweisungen als noch in 2022.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die LFAG-Reform losgelöst von der derzeitigen Grundsteuerreform zu sehen ist. Wie sich die daraus resultierenden Anpassungen der Einheitswerte auswirken, bleibt abzuwarten.
Ihr Guido Nisius